Märkische Oderzeitung 20.8.2016

Mit der Schleusenstraße 6 ist wieder ein wichtiger Mosaikstein der Stadtsanierung gesetzt worden. Das älteste Fabrikgebäude und eines der ältesten Wohngebäude Angermündes ist gerettet und erstahlt so schön wie nie zuvor.

Kaum ist der alte Mantel des Verfalls gefallen und gibt die wahre Schönheit frei, vergisst man schnell, wie es vorher aussah, grau, glanzlos, vom Zahn der Zeit zerfressen. Doch Anja und Michael Pfeifer können später immer mal wieder Fotos hervorholen, um sich zu erinnern, auf welches Abenteuer sie sich da eigentlich eingelassen hatten, denn das ist die Sanierung eines alten Hauses immer. Die Angermünder Familie hat sich einem der bedeutendsten und zugleich verfallensten Häuser in der historischen Altstadt angenommen: die Schleusenstraße 6. Das große, markante Eckhaus zur Klosterstraße krönte jahrelang unrühmlich eine der letzten unsanierten Flecken der Stadt zwischen Brüderstraße und Klosterstraße. Jetzt ist es mit neuem Gesicht und altem Charme ein Signal, dass auch diese Ecken bald verschwinden, nachdem auch die Stadt die Schleusenstraße als letzte in der Altstadt saniert hat.

Die Pfeifers haben das Haus gekauft und sich mutig und hartnäckig an dessen Rettung gewagt. Mit Erfolg. Das über 200 Jahre alte Gebäude war einst eine Woll- und Tuchmanufaktur und gilt als ältestes Fabrikgebäude Angermündes. Die ungewöhnlich hohen Räume im oberen Geschoss zeugen davon, das hier offenbar einst die Webstühle gestanden haben. Zwei sogenannte schwarze Küchen, wo einst über offenem Feuern unterm Kaminabzug gekocht wurde, sind in dem Haus über die Generationen hinweg erhalten geblieben und bleiben nun auch nach der Sanierung durch die strengen Auflagen des Denkmalschutzes auch für die Zukunft bewahrt. Die Bauherren haben sie geschickt in die Neugestaltung der Räume integriert. Bei den Bauarbeiten wurden noch weitere historische Schätze gehoben. So ließ sich feststellen, dass für den Bau einst Ziegel der alten Klosterkirche verwendet wurden, die nach deren Aufgabe durch die Franziskanermönche von den Angermündern unverfroren als Baumaterialspender genutzt wurde. Die historischen Holzbalken stammen aus dem Grumsiner Forst. Bauherren und die Baufirma Lausch als Hauptauftragnehmer haben behutsam alles Alte bewahrt, was irgendwie noch verwendbar war. Balken, Dielen, Holztreppe, Fenster, Türen… Oft war es ein Spagat zwischen Denkmalschutz, Gestaltungssatzung und modernen Anforderungen an Wohn- und Geschäftsräume, für den in den vielen Verhandlungen und wöchentlichen Bauberatungen vor Ort immer ein Kompromiss gefunden wurde. Auf dem Hof wurde auch ein alter Brunnen entdeckt.

Das seit jeher als Wohn- und Geschäftshaus genutzte Gebäude bleibt dieser Bestimmung bis heute treu. In dem Ladengeschäft an der Ecke war früher ein Lebensmittelladen, später ein Kurzwaren- und Handarbeitsgeschäft sowie ein kleiner Gebrauchtwarenhandel.

Der Charakter des Hauses bleibt erhalten. Dafür wurde zur Klosterstraße ein großes Schaufenster eingebaut, sowie der Ladeneingang erhalten. Der Eingang befindet sich jetzt aber in der Schleusenstraße. Im Erdgeschoss hat die Gesellschaft für Pflege und Gesundheit GfG ihren Sitz und Anja Pfeifer ihre Büroräume als gesetzliche Betreuerin eingerichtet. Im Obergeschoss ist Platz für zwei geräumige Wohnungen. Das Gebäude wurde mit der Remise durch einen gläsernen Zwischenbau verbunden. Und die Fassade erstrahlt nach Vorlage historischer Fotos jetzt in einem hellem Ton.

Artikel in der Märkischen Oderzeitung am 20. August 2016